Gelesen: Kleine Kulturgeschichte des Geldes

Datum: 12.01.2011 | Autor: Elke | Kategorien: Rezensionen | Tags: Kulturgeschichte des Geldes, Schnaas | Keine Kommentare »

Der Titel Kleine Kulturgeschichte des Geldes ist eine charmante Untertreibung, denn Dieter Schnaas will nicht weniger als 2700 Jahre Geldgeschichte rekonstruieren und zugleich die „Hintergründe von Banken- und Staatsschuldenkrisen aufdecken”. Klein ist hier also nicht der Anspruch, sondern der Umfang des Buches: 190 flott geschriebene Seiten auf den Spuren des Geldes, das sich so schlecht bestimmen läßt: „Tatsächlich läßt die Frage, ob Nicht-Geld Geld ist, nicht eindeutig beantworten: Reichen wir bei einer Online-Überweisung tatsächlich Geld weiter oder übermitteln wir nur eine Zahlenfolge, die Auskunft gibt über theoretisch verfügbares Geld?“

Gute Frage. Seine Wurzeln hat Geld in den antiken Opferriten, als Münzen das Opferrind ersetzten. Den sakralen Zauber hat das Geld, so des Autors These, seither nicht verloren. Tatsächlich ist Geld heute ein freischwebendes Mysterium: Es hat keine Deckung mehr seit die zahlungsunfähige Bank of England 1797 per Kabinettsorder der Verpflichtung enthoben wurde, das umlaufende Papiergeld durch Münzgeld einlösen zu müssen. Geld hat keinen (materiellen) Gegenwert und keine Deckung, stattdessen organisiert es unauflöslich Mangel und Versprechen: Ich habe Geld, weil ich (künftig, bald, jetzt!) etwas brauchen, also kaufen werde und das Geld verspricht mir, diesen Mangel abzustellen.

Geld ist eigentlich ein Kredit auf die Zukunft. Ursprünglich war Papiergeld ein Wechsel, einen Schuldschein, den man einlösen konnte: „Das neue Papiergeld ist Zahlungsmittel und Schuldtitel zugleich, Geld und Als-Ob-Geld, das heißt: es behandelt einen Kredit als sei er bereits beglichen“ (48) Die Tatsache, dass Geld durch keine Substanz mehr gedeckt ist, bringt das Phantasma hervor, Geld könne unendlich geschöpft werden. Dabei – und hier kommt die Finanzkrise in den Blick – wird der Kredit ebenso uferlos: Er suggeriert heutzutage keine Bürde mehr (die ich abzuzahlen habe), sondern grenzenlose Entfaltungsmöglichkeiten. Und formt solchermaßen die Subjekte, die sich der freien Entfaltung hingeben (wenn sie denn monetär können).

In der Moderne bürgt keine Bank mehr für die Einlösung der Schulden, sondern der Staat. Aber auch der häuft bekanntlich Schulden an. Die Schuld- und Verschuldungsketten werden unentwirrbar. Im Finanzmarktkapitalismus hat sich nun die Geldwirtschaft völlig von der Realwirtschaft gelöst – keine Deckung, nirgends. „Die umlaufende Menge Nicht-Geld, die in Spekulationen auf künftige Preise und Kurse (Derivate) durch die Computernetze der Welt vagabundiert, geht mit 600.000.000.000.000 (600 Billionen Euro) zehnmal über den Wert aller umgeschlagenen Waren und Dienstleistungen hinaus – und die digitale Summe, die alle weltweit getätigten Finanztransaktionen abbildet, distanziert mit 4.850.000.000.000.0000 (4,85 Trillionen Dollar) das Bruttoinlandsprodukt der Welt um das 73, 5-fache.“ (57)

An alledem sei aber nicht das Geld Schuld, so der Autor. Im Gegenteil: Geld verfüge über eine “nivellierende Kraft” und habe ein “pazifistisches Talent” (hier möchte man gar nicht auf Ursprung und Geschichte des Wortes >> Talent hinweisen, weil sonst wieder Abgründe drohen). Es komme nur darauf an, Geld richtig einzusetzen. Hier sieht der Autor in der Finanzkrise einen heilsamen “Säkularisierungsschock”, der unser kultisches Verhältnis zum Geld entzaubert und wieder auf realwirtschaftliche Grundlagen stellt.

Nicht immer erschließt sich, was und wohin der der Autor eigentlich will. Wenn sein Sujet, das Geld, trotz seiner unbegrenzten Menge immer zugleich auch Knappheit suggeriert, so agiert der Autor dies auch auf stilistischer Ebene aus: Sein Text, und das macht einen nicht unerheblichen Spaß dieser Lektüre aus, arbeitet mit einer Fülle von Bildern, Metaphern, Umschreibungen, Allusionen und Assoziationen. Zugleich wünscht man sich aber gelegentlich einen ökonomischeren Umgang mit Sprache. Metaphorisch gesagt: eine Rückbindung des bedruckten Papiers an die Realwirtschaft der Erkenntnis.

Dieter Schnaas: Kleine Kulturgeschichte des Geldes. Wilhelm Fink Verlag, München 2010. 188 S., geb., 19,90 Euro.

Bild: Kupferstich der alten Börse von Amsterdam. In einem von Säulen umgebenen Atrium handeln Wertpapierhändler mit Aktien. Quelle: Planet Wissen.


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