Der, die, das Hartzer

Datum: 15.12.2010 | Autor: Elke | Kategorien: Geisterfahrer & Erscheinungen | Tags: , , | Keine Kommentare »

“Fünf Euro – sofort und auf die Hand”, unmissverständlich macht Heribert Prantl in der >> Süddeutschen Zeitung klar, wie den Hartz IV-Empfängern ab Januar zu helfen sei: “Es gibt einen Weg, den Hartzern das Geld schon mit Jahresbeginn zukommen zu lassen – auch wenn das neue Gesetz noch nicht in Kraft ist. Der Aufschlag könnte vorab als Darlehen ausbezahlt werden. Ein Risiko für die auszahlende Bundesagentur? Gibt es nicht.” Der Artikel ist Prantl at his best, kämpferisch, konkret und korrekt. Der Beitrag zeigt auch, dass die EmpfängerInnen von Transferleistungen es jetzt sprachlich wirklich zu einer eigenen Klasse – den Hartzern – gebracht haben.  Ein Wort, noch unklar changierend  zwischen  Sprachspiel und Stigma.

Photo: Miss Muffin via Flickr


Aperitif & Hartz IV: Genese eines Sozialexperiments

Datum: 25.11.2010 | Autor: Elke | Kategorien: Texte | Tags: , Hertie School, Karl Lauterbach | Keine Kommentare »

Hartz IV ist ein soziales „Großexperiment“, da waren sich die Diskutanten einig. Doch wie wird so etwas bewerkstelligt und wie geht es weiter?

Die >> Hertie School of Gouvernance hatte kürzlich zur Podiumsdiskussion geladen, Anlass war die von Anke Hassel und  Christof Schiller verfasste Studie >> Der Fall Hartz IV – Wie es zur Agenda 2010 kam und wie es weitergeht. Jetzt  gibt es auch ein >> Video der Diskussion. Da kann  man sich ein Bild machen, wie Politik gemacht wird. Naja, vor allem: wie sie verkauft wird. Weiterlesen »


Hartzler: Schluss mit Lustig!

Datum: 25.09.2010 | Autor: Elke | Kategorien: Texte | Tags: , , | 2 Kommentare »

Der CDU-Politiker Philipp Mißfelder hatte es schon früh gewusst: „Die Erhöhung von ‚Hartz IV’ war ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie.“ Die Worte des Vorsitzenden der Jungen Union im Februar 2009 müssen nachgewirkt haben, denn bei den neuen Berechnungen für Hartz IV werden Tabak- und Alkoholkosten (bislang knapp 20 Euro im Monat) nicht mehr berechnet (>>Morgenpost).

Damit dürfte der Koalition ein guter Coup gelungen sein. Man hört förmlich die Kommentare: Richtig so, was müssen die denn auch rauchen und saufen!! Ähnlich wie in der Frage der Wohnraumgröße steckt hinter diesen kühlen ökonomischen Berechnungen, die zu einer Erhöhung der bisherigen Sätze um „deutlich unter 20 Euro“ führen, auch hier eine ebenso wohlkalkulierte Symbolpolitik. Zunächst bastelt sie erst einmal das Bild, das schon seit der Frühen Neuzeit die Klasse der „gefährlichen Armen“ ausmacht: Diese geben hemmungslos ihr Geld für Schnaps und Tabak aus. Ihnen das Geld dafür zu kürzen, verdichtet in einem Akt die Pädagogisierung der selbst konstruierten Unterschicht und die Missgunst  derjenigen, die als rechtschaffene Bürger anderen alles neidet. Chapeau!

Dagegen soll hier ein Gedicht aus dem Jahre 1936 gesetzt werden. In seinen zweiten Gedichtband Mit der Ziehharmonika lässt der österreichische Dichter >> Theodor Kramer (1897-1958) einen böhmischen Knecht sprechen, der seine Armut lange klaglos ertrug, da ihm der kleine Rauch und Rausch die Menschenwürde garantierte:

Der böhmische Knecht

Mit der Rotte hab ich Korn geschnitten
und mich so von Gut zu Gut getrieben;
Sense hat mich in den Fuß geschnitten
und – geheilt – bin ich im Land geblieben.

Vielen Bauern hab ich Roß und Kühe
abgewirtet und das Holz gebunden;
und ich hab mich nur für meine Mühe
neu gewandet jedes Jahr gefunden.

Immer hat im Wirtshaus sich beim Zechen
wer gemuckt, der mir mein Bier nicht gönnte
und ein andrer hat mir vorgerechnet,
was ich am Tabak ersparen könnte.

Doch der Rausch ist mir mein Recht gewesen
und der Pfeifenrauch die eigne Hütte;
sehr entbehr ich beides, seit ich Besen
binden muß und schon den Napf verschütte.

Meine Lungen sind belegt und heiser,
niemand wird mich also freundlich pflegen
wie sie hierzuland die Paradeiser
zwischen Doppelfenstern reifen legen.

Drum im Sonntagsstaat bei voller Flasche
laß ich wiederum die Pfeife qualmen,
weiß die Rebschnur in der Außentasche
und ein Holzkreuz vor den Schachtelhalmen.[1]


[1] Kramer, Theodor, Gesammelte Gedichte, 3 Bde, hg. v. Erwin Chvojka, Wien, München, Zürich, 1984 ff., Bd. 1, S. 163.


Foto:  John  Vachon: Worker at carbon black plant, Sunray, Texas, 1942


Schmalhans und Suppenkasper

Datum: 15.08.2010 | Autor: Elke | Kategorien: Texte | Tags: Ernährung, , Hartz IV Kochbücher | Keine Kommentare »

Zum Thema  Ernährung & Armut hat Gespenst der Armut bereits auf der Besuchercouch mit dem Bildungsforscher Friedrich Schorb gesprochen. Irgendwie setzt sich das Thema gerade etwas fest, denn die nächste Interviewpartnerin soll >Elisabetta Gaddoni, ihres Zeichens Gastrokritikerin, sein. Da passt ein Artikel aus dem >ND ganz gut, in dem die Autoren Rezepte aus Hartz IV-Kochbücher auf ihren Gebrauchswert hin nachkochen.

Hartz IV Teller

Hartz IV Teller

Die Ergebnisse sind teilweise wirklich bizarr. Nachdenklich stimmt das Eingangsstatement: “Und wahrscheinlich ist Deutschland auch das einzige Land dieser Erde, in dem Kochbücher zu Sozialgesetzen geschrieben werden.” Nun diktieren ja allerorts die ökonomischen Möglichkeiten, was auf den Teller kommt bzw. nicht kommt. Und auch eine “arme” Küche kann sehr lecker sein, nicht zufällig erleben ja viele Gerichte der Armenküche immer wieder ein Revival, sind viele traditionelle Gerichte etwa der italienischen Küche keine Haute Cuisine, sondern populäre, volkstümliche Kost. Ein Kochen, das sich am Sozialgesetzbuch orientieren soll, ist eher triste als arm zu nennen.
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