Schmalhans und Suppenkasper
Datum: 15.08.2010 | Autor: Elke | Kategorien: Texte | Tags: Ernährung, Hartz IV, Hartz IV Kochbücher | Keine Kommentare »Zum Thema Ernährung & Armut hat Gespenst der Armut bereits auf der Besuchercouch mit dem Bildungsforscher Friedrich Schorb gesprochen. Irgendwie setzt sich das Thema gerade etwas fest, denn die nächste Interviewpartnerin soll >Elisabetta Gaddoni, ihres Zeichens Gastrokritikerin, sein. Da passt ein Artikel aus dem >ND ganz gut, in dem die Autoren Rezepte aus Hartz IV-Kochbücher auf ihren Gebrauchswert hin nachkochen.

Hartz IV Teller
Die Ergebnisse sind teilweise wirklich bizarr. Nachdenklich stimmt das Eingangsstatement: “Und wahrscheinlich ist Deutschland auch das einzige Land dieser Erde, in dem Kochbücher zu Sozialgesetzen geschrieben werden.” Nun diktieren ja allerorts die ökonomischen Möglichkeiten, was auf den Teller kommt bzw. nicht kommt. Und auch eine “arme” Küche kann sehr lecker sein, nicht zufällig erleben ja viele Gerichte der Armenküche immer wieder ein Revival, sind viele traditionelle Gerichte etwa der italienischen Küche keine Haute Cuisine, sondern populäre, volkstümliche Kost. Ein Kochen, das sich am Sozialgesetzbuch orientieren soll, ist eher triste als arm zu nennen.
Damit sind keinesfalls die mageren Hartz IV-Sätze gerechtfertigt, aber bei dieser ganzen Essen & HartzIV-Diskussion schwingt immer etwas Genußfeindliches mit, das über HartzIV hinausgeht und eher etwas mit dieser ganzen verqueren Einstellung hierzulande zum Essen zu tun hat: Entweder es kann gar nicht genug bio, öko, gesund und absolut genau auf mich und meine Neurosen, Allergien und Lieblingssocken passend zugeschnitten sein, oder nicht billig genug, egal wie der Geldbeutel aussieht. Dass es hierzulande Hartz IV-Kochbücher gibt, sollte wirklich mal in einem kulturhistorischen Kontext untersucht werden: Das Essen als Feind – alles chemisch verseucht! Das Essen als institutionalisierter Mangel: immer fehlt was, her mit den Nahrungsergänzungsprodukten! Das Essen als Distinktionsmerkmal: Nun esse ich doch immer so milieubewusst, aber wieso sind nun Sushi schon wieder out? Das Essen, an dem man sich immer erst einmal abarbeitet: Und wieviele Kalorien hat das nun wieder? Das Essen statt als Freude als Dauer-Über-Ich, das nach all den Mühen dann endlich nachsichtig sagt: Du darfst! Diese Funktion übernimmt bei Hartz IV dann freundlicherweise der Staat: Du darfst leider nicht, denn Du bist Hartz IV. Immerhin darf – ja muss – man sich dann die mentalen Suppenkaspereien ersparen, Schmalhans als Küchenmeister kommt ohne aus.
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