Hartzler: Schluss mit Lustig!
Datum: 25.09.2010 | Autor: Elke | Kategorien: Texte | Tags: Alkohol, Hartz IV, Regelsätze | 2 Kommentare »Der CDU-Politiker Philipp Mißfelder hatte es schon früh gewusst: „Die Erhöhung von ‚Hartz IV’ war ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie.“ Die Worte des Vorsitzenden der Jungen Union im Februar 2009 müssen nachgewirkt haben, denn bei den neuen Berechnungen für Hartz IV werden Tabak- und Alkoholkosten (bislang knapp 20 Euro im Monat) nicht mehr berechnet (>>Morgenpost).
Damit dürfte der Koalition ein guter Coup gelungen sein. Man hört förmlich die Kommentare: Richtig so, was müssen die denn auch rauchen und saufen!! Ähnlich wie in der Frage der Wohnraumgröße steckt hinter diesen kühlen ökonomischen Berechnungen, die zu einer Erhöhung der bisherigen Sätze um „deutlich unter 20 Euro“ führen, auch hier eine ebenso wohlkalkulierte Symbolpolitik. Zunächst bastelt sie erst einmal das Bild, das schon seit der Frühen Neuzeit die Klasse der „gefährlichen Armen“ ausmacht: Diese geben hemmungslos ihr Geld für Schnaps und Tabak aus. Ihnen das Geld dafür zu kürzen, verdichtet in einem Akt die Pädagogisierung der selbst konstruierten Unterschicht und die Missgunst derjenigen, die als rechtschaffene Bürger anderen alles neidet. Chapeau!
Dagegen soll hier ein Gedicht aus dem Jahre 1936 gesetzt werden. In seinen zweiten Gedichtband Mit der Ziehharmonika lässt der österreichische Dichter >> Theodor Kramer (1897-1958) einen böhmischen Knecht sprechen, der seine Armut lange klaglos ertrug, da ihm der kleine Rauch und Rausch die Menschenwürde garantierte:
Der böhmische Knecht
Mit der Rotte hab ich Korn geschnitten
und mich so von Gut zu Gut getrieben;
Sense hat mich in den Fuß geschnitten
und – geheilt – bin ich im Land geblieben.
Vielen Bauern hab ich Roß und Kühe
abgewirtet und das Holz gebunden;
und ich hab mich nur für meine Mühe
neu gewandet jedes Jahr gefunden.
Immer hat im Wirtshaus sich beim Zechen
wer gemuckt, der mir mein Bier nicht gönnte
und ein andrer hat mir vorgerechnet,
was ich am Tabak ersparen könnte.
Doch der Rausch ist mir mein Recht gewesen
und der Pfeifenrauch die eigne Hütte;
sehr entbehr ich beides, seit ich Besen
binden muß und schon den Napf verschütte.
Meine Lungen sind belegt und heiser,
niemand wird mich also freundlich pflegen
wie sie hierzuland die Paradeiser
zwischen Doppelfenstern reifen legen.
Drum im Sonntagsstaat bei voller Flasche
laß ich wiederum die Pfeife qualmen,
weiß die Rebschnur in der Außentasche
und ein Holzkreuz vor den Schachtelhalmen.[1]
[1] Kramer, Theodor, Gesammelte Gedichte, 3 Bde, hg. v. Erwin Chvojka, Wien, München, Zürich, 1984 ff., Bd. 1, S. 163.
Foto: John Vachon: Worker at carbon black plant, Sunray, Texas, 1942
es geht schon sehr ungerecht zu mit Harz4 und man sollte schon Unterschiede machen ob einer nur zu faul zum Arbeiten ist oder zu Alt und Krank
Liebe Maria,
sicher! Vielleicht ist diese ganze Diskussion aber auch etwas unwürdig, sie unterstellt den Hilfebedürftigen ständig, ihre Forderungen seien nicht legitim.
Viele Grüße
Elke