Rudolf Frieling: Armutsdinge
Kaum macht das Gespenst eine Sendepause, kommt ganz unerwartet ein Bild aus Venedig.
Fotografiert hat es Rudolf Frieling, der auf diesem Blog auch einen schönen Text über > Armut und Kunst geschrieben hat.
Lieber Rudolf, vielen Dank!
Christian Ahlrep: Armutsdinge
Nachdem kürzlich ein Armutsding aus Paris seinen Weg in die Galerie gefunden hat, kommt nun eines aus Bratislava. Christian Ahlrep hat es geschickt.
Er schreibt: Im Anhang sende ich Dir ein Foto von einem Wasserspender an der Donau. Dabei handelt es sich um Trinkwasser und ich habe während der großen Hitze jetzt oft beobachtet, wie z.B. Obdachlose sich hier mit Frischwasser versorgt haben. Also ein wichtiges Ding für die Armen/Armut! Auf dem zweiten Bild siehst Du das Etikett des Spenders, wonach dieser aus Taiwan gespendet wurde. Sicher nicht primär mit dieser Ideengebung, aber er tut auf jeden Fall seinen Sinn.
Vielen Dank, lieber Christian!
Ullrich Wegerich: Armutsdinge
Ullrich Wegerich, Autor spannender und gesellschaftkritischer Kriminalromane, schickte dieses Bild aus Paris. Vielen Dank, lieber Ulli!
Liebe Elke, jetzt habe ich auch etwas für deine “Armutsdinge”: Das Zeug eines Obdachlosen. So etwas sieht man hier öfter, es gibt überhaupt etliche Obdachlose. Manchmal liegen sie sogar mitten auf dem Bürgersteig oder sind mit Sack und Pack in eine Telefonzelle gezogen, ohne dass sich einer dran stören würde. Ich weiß aber nicht, ob das Ausdruck von Toleranz oder einer Ist-mir-doch-egal-Haltung ist, wahrscheinlich irgendwas dazwischen. Dieses Zeug liegt vor dem Lieferantenausgang eines Supermarktes.
Susanne: Armutsdinge
Das Foto ist ein Bild von Armut und Reichtum zugleich. Bei uns im Haus stellen die Leute Sachen, die sie nicht mehr brauchen, in eine Nische im Durchgang zum Hinterhof. Dann kann sich jeder nehmen, was er mag. Wir stellen oft etwas hin, bedienen uns aber auch. Manchmal verkaufe ich die Sachen weiter auf Ebay. Ich habe auch schon mal eine Jeans aus der Mülltonne im Hof gefischt und Oberhemden für meinen Freund. Muss ein gut verdienender Single wohnen irgendwo bei uns im Haus. Auf diesem Foto
fehlt die Turnhose für meinen Sohn, die ich für ihn eingesteckt habe.
Susanne E. aus B.
Liebe Susanne – vielen Dank!
Werner Walczak: Armutsdinge
Werner Walczak hat ein Armutsding auf vier Rädern gesendet. Vielen Dank!
Für sich genommen kann dieser rostige Ford als ein schöner Gegen- stand betrachtet werden. Aber in Konfrontation mit dem japanischen Hochglanzobjekt im Hintergrund und im Kontext eines relativ reichen Staates wird er zu einem Zeichen der Armutskultur. Als Statusobjekt verweist es direkt auf die ungenügen- den Besitzverhältnisse seines Fahrers und als Symbol amerikanischer Wirtschaftsgeschichte auf deren industriellen Niedergang.
Karsten Hein: Armutsdinge
Karsten Hein, Dokumentarfilmer (Aids in der Ukraine), Fotograf und Blogger (Bildbeschrei- bungen für Blinde) schickte nicht nur ein schönes, rätselhaftes Foto, sondern stellt auch grundsätzliche Fragen zum visuellen Zusammenhang von Armut, Wahrnehmung und Wissen.
Vielen Dank, lieber Karsten – und meine Antwort dann im Kommentar!
Ja liebe Elke,
sieht so Armut aus? Sehe ich diesem Gegenstand die Armut an? Zunächst, ich sehe ja nicht das Ding selbst, eine zur Küchenreibe recycelte Konservendose, sondern ein Foto von ihr, wie sie auf einem Laminatfußboden steht.
Es ist gar nicht so einfach, ein Ding allein zu fotografieren. Außerhalb eines in einer Studiosituation aufgenommenen Fotos sehen wir Dinge nie isoliert, sondern immer im Zusammenhang, meist dem der Lebenswirklichkeit. Aber das ist dir ja bewußt. Wie sehr die Dosenreibe diesem Zusammenhang entrissen ist, machst du ja sehr schön deutlich, indem du augenzwinkernd die Formensprache der Ebay-Ästhetik zitierst.
Wenn man dann einen Gegenstand z.B. im Studio ganz isoliert hat, sieht er anders aus, wirkt er anders als an dem Ort und in der Situation, wo du ihn vielleicht entdeckt hast. Deine Dosenreibe sieht unbenutzt oder selten benutzt aus, jedenfalls was ihr zweites Leben als Reibe betrifft. Sie ist sauber, ebenso wie das Laminat und die Bildqualität des Digitalfotos, das sie abbildet. Spielt es eine Rolle, daß alles sauber ist? So wie sie dasteht, könnte deine Dosenreibe ja auch aus dem Ebay-Shop, sagen wir, eines thüringischen Bastlers stammen, der das Recycling als stummen Protest gegen die Wegwerfgesellschaft betreibt. Dann hätte die Dosenreibe nicht unmittelbar etwas mit Armut zu tun.
Sauberkeit und Armut schließen sich aber nicht aus. Ich bin oft in der Ukraine und kenne dort viele, vor allem alte, arme Menschen, die sich bemühen, ihre Kleidung immer so heil und sauber wie möglich zu halten, ebenso wie ihre Wohnung. Aber auch in den Wohnungen sehr ordentlicher armer Menschen gibt es kaum einen Gegenstand, der neu ist. Jedes Ding wird so lange wie möglich benutzt und pfleglich behandelt und wenn es sonst nicht mehr geht, recycelt. So könnte auch deine Dosenreibe entstanden sein.
Ich kenne dort auch andere arme Menschen, z.B. Junkies und Alkoholiker, die im Dreck leben. Vielleicht könnte man sagen, daß diese Menschen nicht nur arm, sondern auch verwahrlost sind. Armut und Verwahrlosung sind zwei Dinge, die sich nicht zwangsläufig bedingen, aber Armut, die mit Verwahrlosung einhergeht, wirkt auf mich immer noch etwas ärmer.
Dem ähnlich habe ich den Eindruck, daß Armut auf technisch mangelhaften, “schmutzigen” Bildern immer noch etwas ärmer aussieht als auf technisch einwandfreien, vor allem, wenn die Mängel die Assoziation einer billigen Aufnahmetechnik hervorrufen. Das sagt vielleicht wenig über die Armut, aber etwas über meine Wahrnehmung und meine Vorstellung von ihr. Ich lasse mich offenbar davon beeindrucken, wie ärmlich die Armut auf Bildern auf mich wirkt.
Armut drückt ein Verhältnis aus. Man ist arm, wenn man nicht genug hat, um sich etwas zu leisten. Kann man das so sagen? Wir wissen nun von dir über die Dosenreibe, daß sie aus Burkina Faso stammt, einem Land, über das ich nicht viel mehr weiß, als daß es sehr arm ist. Ich stelle mir vor, daß es sich in einem Land, in dem sich die Menschen vielleicht keine richtigen Küchenreiben leisten können, eventuell lohnt, sehr viel Handarbeit darauf zu verwenden, gewerbsmäßig aus Verpackungsmüll ohne Frage nützliche und in diesem Fall wirklich auch hübsche, aber nicht besonders viel Geld einbringende Küchengeräte zu machen.
Ich könnte mir aber auch vorstellen, daß die Dosenreibe, diese oder eine ähnliche Herleitung implizierend, von vornherein als Souvenir für Touristen hergestellt wurde. Bei manchen, recht ähnlichen Artikeln im Museums-Shop des Ethnologischen Museums in Berlin-Dahlem habe ich diesen Eindruck: Armut – aber immerhin Armut, die erfinderisch macht – als Bestandteil des europäischen Afrikabildes zum Bestandteil der eigenen Folklore gemacht. (Was mag in dieser Perspektive wohl einmal aus dieser jetzt schon berühmten und bei Fotografen sehr populären Spezial-Müllhalde für Elektronik-Schrott in der Nähe von Accra werden?)
Aber beide Assoziationen verdanken sich allein deinem Burkina-Faso-Hinweis. Es macht einen Unterschied, ob ich etwas über ein Ding, das für Armut steht, sie symbolisiert, darstellt usw., lese oder ob ich es sehe. Wenn ich lese, daß ein auf dem Bürgersteig liegender Pappkarton des nachts einem Obdachlosen als Bett dient, ist dieser Karton für mich ein Armutsding. Er wird dazu durch seinen Gebrauch, durch seine Beziehung zum Menschen. Sähe ich dem Karton allein diesen Gebrauch an? Darauf käme es an. Anderenfalls wäre der Karton in meinen Augen vielleicht einfach Müll, den niemand weggeräumt hat, aber keine Armut.
Ich vermute, daß du viele Zusendungen mit Fotos von Gegenständen bekommen wirst, denen man die Armut nicht unbedingt ansieht, begleitet von Texten, die dennoch einleuchtend erklären, inwiefern diese Dinge die Armut darstellen. Und das ist natürlich auch völlig in Ordnung. Vielen Leuten wird es sogar geschmacklos vorkommen, sich zu fragen, wie ein Gegenstand fotografiert werden müßte, damit er auch möglichst arm wirkt. Aber wenn man die Armut im Bild zeigen möchte, kommt man in diese Situation. Beim Filmen über Aids in der Ukraine haben wir uns sowas tatsächlich gefragt.
Und aus dem Kapitel über Armut des Films “Am Rande” stammt auch dieses Standbild:
Es paßt gut zu deinem Bild, finde ich. Aber sieht man ihm die Armut an, ohne daß ich erkläre, was man hier genau sieht, in welcher Situation das Bild entstanden ist usw? Sieht so Armut aus?
Lieben Gruß, Karsten
Karen Margolis: Armutsdinge
Karen Margolis, Lyrikerin und Bloggerin, schickte dieses Foto und den Kommentar.
Gut gezielt, Karen! Vielen Dank!
Hier ein selbstgemachtes Armutsgerät:
Schießplatz-Übungsgerät für diejenigen, die den Vereinsbeitrag nicht leisten können.
Spotted at Bayerischer Platz, Berlin-Schöneberg, November 2011
Foto: Karen Margolis
Armutsdinge: Sarah Khan

dazu gehört der einbau einer kamera am eingangsbereich.
das graffiti kommentiert diesen vorgang.
das wohnumfeld soll bitte draußen bleiben. was folgenden hintergrund hat: regelmässig kamen junkies, kotzer, pisser in das treppenhaus um flüssigkeiten abzugeben.
denn mehr als armut stören in st.pauli der enthemmte tourist und das drogenwrack. kaputt, krank und exzessiv vs. wertdefinierend.
mehr zu meinem st.auli in folgendem taz artikel aus dem sommer 2012:
http://www.taz.de/St-Pauli-und-die-Gentrifizierung/!98785/
Foto: Sarah Khan
Armutsdinge
Fotos gesucht!
Sieht so Armut aus? Gerade habe ich diese Sardinendose angesehen, die ich 1996 aus Burkina Faso mitgebracht habe. Wie alles in Burkina Faso wurde die Dose recycelt. Sie wurde zur Reibe. Der eine Boden wurde durchlöchert, der andere ist nun abnehmbar, ein Band dient zum Aufhängen. Eine schöne, charmante Dose, die zurecht den Namen “Princesse” trägt. Sieht so Armut aus? Die Galerie “Armutsdinge” wird auf diesem Blog Fotos zu diesem Thema vorstellen.
Welche Dinge – Gegenstände, Gegenden, Gegebenheiten – repräsentieren Armut?
Schickt Fotos, gerne auch mit Kommentar oder Text, ich freue mich!
Fotos bitte senden an:
Merci!